Elbe-Saale

Bahnfahren darf nicht zum Lotteriespiel werden!

PRO BAHN und VCD fordern verlässlichen Eisenbahnverkehr für Thüringer Fahrgäste

 

In einer gemeinsamen Erklärung kritisieren der Fahrgastverband PRO BAHN Thüringen e.V. und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Landesverband Elbe-Saale e.V. die immer häufiger auftretenden Einschränkungen durch Zugausfälle für Fahrgäste in Thüringen. Bereits im Sommer war die Werrabahn in Südthüringen für 10 Wochen wegen Bauarbeiten voll gesperrt. Aktuell müssen Fahrgäste zwischen Jena und Gera für 3 Wochen auf Ersatzbusse ausweichen, weil die stark genutzte Hauptstrecke für Instandsetzungsarbeiten voll gesperrt ist. Bis zum 9. Dezember und damit über 6 Wochen fallen gleich auf mehreren Linien des Unternehmens Abellio planmäßige Züge wegen Lokführermangels aus, darunter auf den Strecken Halle - Eisenach, Jena - Großheringen, Erfurt - Sangerhausen und Halle - Lutherstadt Eisleben. Und fast schon von einer guten Tradition kann man bei der gerade wieder erfolgten Sperrung des Leipzigers Hauptbahnhofs für volle 4 Tage sprechen - mit weitreichenden Auswirkungen auf das gesamte Streckennetz in Mitteldeutschland.

Am stärksten sind die Auswirkungen von Vollsperrungen für die täglichen Pendler. Einerseits reichen die Kapazitäten der Ersatzbusse in der Regel nicht aus, um einen Eisenbahnzug adäquat zu ersetzen. Andererseits verursachen die Auskunftssysteme - gerade bei Verspätungen - oft weiteren Frust, wenn Mitarbeiter, Internet-Fahrplanauskunft und Zugradar abweichende Angaben machen. Dann steht der Fahrgast im wahrsten Sinne des Wortes im Regen und kommt nicht selten um eine Stunde oder mehr verspätet an seinem Ziel an.

"Natürlich begrüßen wir, dass Strecken und Bahnhöfe ausgebaut oder erneuert werden und verstehen auch, dass dies nicht immer ohne Einschränkungen möglich ist", so Olaf Behr, Landesvorsitzender von PRO BAHN Thüringen. "Jedoch sollte das Maß der Beeinträchtigung für die Fahrgäste dabei immer so gering wie möglich gehalten werden. Wenn zum Beispiel im Fall der im Bauabschnitt zweigleisigen Eisenbahnstrecke Jena - Gera lediglich ein Gleis instandgesetzt werden muss, sollte die Organisation eines eingleisigen Baustellenbetriebs oder die Durchführung der Bauarbeiten in den Tagesrandlagen Vorrang vor der Vollsperrung haben, denn die bedeutet für alle Reisenden immer die größte Beeinträchtigung."

Unverständnis herrscht bei beiden Verbänden darüber, dass mit Abellio ein unter anderem vom Land Thüringen mit der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen beauftragtes Eisenbahnunternehmen diese über fast zwei Monate einfach so ausfallen lassen kann. "Wir wissen natürlich, dass Lokführer derzeit überall in Deutschland fehlen und die Rekrutierung neuer Fachkräfte nicht leicht ist", so Felix Kaiser vom VCD Elbe-Saale und selbst täglicher Nutzer der Holzlandbahn. "Wenn aber bekannt ist, dass zum Jahresende der Bedarf wegen Schulungsfahrten steigt, müssen trotzdem oder gerade deswegen rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Es kann nicht sein, dass es offensichtlich zur Selbstverständlichkeit wird, dann eben einfach die Züge ausfallen zu lassen und damit den Fahrgast die Folgen einer unzureichenden Personalpolitik in einem bisher noch nie gekannten Maß tragen zu lassen."

PRO BAHN und VCD sehen die zunehmenden Zugausfälle auch deswegen mit Sorge, weil sie Fahrgäste vergraulen. "Menschen, die sich einmal wegen einer mehrwöchigen Vollsperrung von der Eisenbahn abgewendet haben, sind oft schwer zurückzugewinnen", so Bernd Schlosser, Ehrenvorsitzender von PRO BAHN Thüringen. "Niemand kann ein Interesse daran haben, wenn wir am Ende zwar erneuerte Strecken haben, aber die Züge weniger Fahrgäste befördern. Mit der gegenwärtigen Baustellenpraxis werden die Erfahrungen von mehr als 170 Jahren Eisenbahngeschichte ignoriert, in denen in verkehrsarmen Zeiten, zum Beispiel in nächtlichen Betriebpausen, gebaut wurde. Dies muss ein Ende haben. Wir brauchen bei den Verantwortlichen endlich wieder ein Bewußtsein, bei dem der Fahrgast im Mittelpunkt steht."

 

 

Über den Fahrgastverband PRO BAHN
Der Fahrgastverband PRO BAHN ist ein Verbraucherverband, der bundesweit die Fahrgäste aller öffentlichen Verkehrsmittel vertritt. Er ist Gründungsmitglied der Allianz pro Schiene und des Europäischen Fahrgastverbandes sowie Mitglied der Verbraucherzentrale Bundesverband. 2017 wurde der Fahrgastverband PRO BAHN mit dem Bundespreis Verbraucherschutz ausgezeichnet. Der Fahrgastverband PRO BAHN arbeitet ehrenamtlich im Interesse der Fahrgäste. Die Mitglieder erfahren tagtäglichen öffentlichen Verkehr (ÖV) auf Schiene und Straße. Aus diesen Erfahrungen heraus lobt und kritisiert der Verband Akteure und Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, erstellt Konzepte, ist in offiziellen Landes-, Bundes- und Europa-Gremien aktiv, sensibilisiert und berät Politiker in Angelegenheiten des öffentlichen Verkehrs, beeinflusst die öffentliche Diskussion durch sachliche Aufklärung über Hintergründe, hält Vorträge und Seminare sowie Fahrgastsprechstunden und Automatenschulungen u.v.a.m. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.pro-bahn.de.

Über den VCD
Im Juni 1986 wurde der Verkehrsclub Deutschland von Mitgliedern verschiedener Umweltverbände und -initiativen ins Leben gerufen. Der VCD engagiert sich für eine umwelt- und verbraucherfreundliche Mobilität, die mit wenig Ressourcenverbrauch und geringen Umweltbelastungen auskommt - für mehr Lebensqualität und die Interessen aller ökologisch orientierten Verkehrsteilnehmer (neben Autofahrern also auch Fahrradfahrer, Fußgänger, Bahn- und ÖPNV-Nutzer) vertritt.
Bekannt wurde der VCD vor allem dadurch, dass er 1992 Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn dazu bewegen konnte, die BahnCard einzuführen. Seit 2001 testet der VCD die Kundenfreundlichkeit der Deutschen Bahn regelmäßig aus Kundensicht. Service, Pünktlichkeit und Beratung zählen zu den Schwerpunkten der Kriterien beim VCD-Bahntest. Der VCD bewertet auch Neubau-, Ausbau- und Stilllegungspläne der Bahn aus der Perspektive der Bahnnutzer und Steuerzahler. Außerdem setzt er sich für Lärmminderung und Lärmschutz an Bahnstrecken ein. Der VCD fordert zudem eine dauerhafte Erhaltung der Nachtreisezüge als ökologische und bequeme Möglichkeit des Reisens. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.vcd.org.

Rückfragen bitte an Olaf Behr, Vorsitzender, Tel.: 0172-7986520, o.behr@thueringen.pro-bahn.de
oder Bernd Schlosser, Ehrenvorsitzender, b.schlosser@thueringen.pro-bahn.de
v.i.S.d.P.: Olaf Behr

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